Guano

Reiseberichte aus dem Sanella-Album Mittel- und Südamerika

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Seite 48

Anfangs war es ganz gemütlich. In bunten Farben lag die vulkanische Bergwelt unter uns, zur Seite die Schneegipfel gegen den azurblauen Himmel. Plötzlich begann das Flugzeug rasend schnell zu fallen. Ein Abwind hatte es erfaßt. Die Felsen und Berge kamen näher - in Sekundenschnelle. Vor uns nur Felsen, nichts als Felsen. Und wir fielen noch immer. Hatte der Flugzeugführer völlig die Gewalt über die Maschine verloren? - Glaubt mir, in den paar Sekunden hat jeder schnell ein Vaterunser gebetet! - Und es hat geholfen! - Plötzlich hörte der teuflische Wind auf. Die Maschine verlor nicht mehr an Höhe. In 5000 Meter etwa überflogen wir den Paß, auf dem sich eine steinerne Christusfigur und eine Funkstation befinden." Paulo schnaufte vor Aufregung. Er gab zu, dann nicht mehr viel gesehen zu haben.

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Er hatte plötzlich eine Tüte benützen müssen, weil er "seekrank" geworden war. Als er unten im Dunst des Tieflands Santiago auftauchen sah, hatte er dankbar aufgeatmet. "Großartig, wirklich großartig", schloß er seinen Bericht. "Aber ich fahr' doch lieber mit der Eisenbahn." - Morgen Abschiedsfeier mit Paulo. Er bleibt bei Verwandten hier in Santiago.

Vogelmist, der Reichtum brachte

Bald hätte ich vergessen, noch ein besonderes Erlebnis aufzuschreiben. Jupp, Hand aufs Herz, wenn Du Dich von der Schule her an Chile erinnerst, kommt Dir ein bestimmtes Wort in den Sinn. "Eine Quelle des Reichtums für dieses Land", pflegte unser Erdkundelehrer zu sagen. - Richtig, der Guano! - Also Du, was die zahllosen Vögel hier seit Jahrhunderten produziert haben . . . Junge, Junge, da kann man nur staunen und sich die Nase zuhalten. Meterdick liegt der Vogelmist und stinkt kilometerweit gegen den Wind. Man gräbt ihn einfach ab. Das soll allerdings nicht zu den appetitlichen Beschäftigungen gehören. Wir sind auf einem Vogelfelsen herumgeklettert. Kommst Du näher, fliegen riesige Scharen von Möwen auf. Wie weiße Wolken sieht das aus. Bei jedem Schritt mußt Du aufpassen, nicht auf Eier oder Jungvögel zu treten.

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Auf Klippen und in den Schrunden brüten die Alten in ungezählten Scharen. Kormorane, Tölpel und wie sie alle heißen. Wie wir näher kamen, liefen sie oft nur unbeholfen ein paar Schritte beiseite und blickten uns mißtrauisch nach, um dann zu ihrem Nistplatz zurückzuwatscheln. Am komischsten benahmen sich die jungen Möwen. Wenn wir auf sie zukamen, steckten sie einfach den Kopf in den nächsten Felsspalt, wohl in der Meinung, wir sähen sie dann nicht. Sie waren jetzt leicht zu greifen. Aber da schossen auch schon mit gellenden Schreien die Alten auf uns herab und pfeilschnell an unsern Köpfen vorbei. Wir duckten uns unwillkürlich, ließen das Möwenjunge los und machten uns aus dem Staube, weil die Angriffe immer heftiger wurden. Es war ohnehin eine ziemlich gewagte Kletterpartie. Noch lange hatten wir das gellende Geschrei vom Vogelfelsen in den Ohren.

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